The Farewell

The Farewell (2019), USA
Laufzeit: - FSK: 0 - Genre: Komödie / Drama
Kinostart Deutschland: - Verleih: DCM

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The Farewell Filmplakat -> zur Filmkritik

erhältlich auf 4K UHD, Blu-ray und DVD

Inhalt

Als die in New York aufgewachsene Billi von ihren Eltern erfährt, dass ihre geliebte Großmutter Nai Nai in China nur noch kurz zu leben hat, steht ihr Leben Kopf. Die Familie beschließt, Nai Nai im Ungewissen zu lassen und ihr die tödliche Krankheit zu verschweigen. Um die plötzliche Anwesenheit der ganzen Familie plausibel zu erklären, wird kurzerhand eine Spontan-Hochzeit organisiert…
Während Billi versucht, die Lüge aufrecht zu erhalten, stößt sie auf Dinge, die ihr eigenes Leben verändern. Es ist die Chance, sowohl das Land ihrer Eltern als auch den wundersamen Geist ihrer Großmutter wieder zu entdecken.


Awkwafina, Tzi Ma und Diana Lin | mehr Cast & Crew


The Farewell - Trailer




DVD und Blu-ray | The Farewell

Blu-ray
The Farewell The Farewell
Blu-ray Start:
17.04.2020
FSK: 12 - Laufzeit: 105 min.
DVD
The Farewell The Farewell
DVD Start:
17.04.2020
FSK: 12 - Laufzeit: 101 min.

Filmkritik The Farewell

Filmwertung: | 8/10


Gerade für ein westliches Verständnis mutet die Prämisse von „The Farewell“ zunächst sonderbar an: Eine in der chinesischen Metropole Changchun lebende ältere Dame (Zhao Shuzhen) ist todkrank und hat vermutlich nur noch wenige Monate zu leben. Das weiß sie allerdings nicht, denn die Diagnose erhielt nur ihre Schwester von dem behandelnden Arzt. Ihre Familie entscheidet sich dazu, dass es das Beste ist, wenn ihre Nai Nai (ein Begriff aus dem Mandarin für Großmutter) nichts von ihrer Krankheit weiß und arrangiert eine große Hochzeitsfeier mit ihrem Enkel und dessen japanischer Freundin. Denn hier gilt das Credo, das nicht der Krebs tötet, sondern die Angst davor.

Hier kommt nun Nai Nais Enkelin Billi (Awkwafina) ins Spiel, die mit sechs Jahren mit ihren Eltern (Tzi Ma und Diana Lin) nach New York City ausgewandert ist. Dort versucht die westlich-modern aufgewachsene angehende Autorin sich irgendwie durchzuschlagen, jedoch häufen sich frustrierende Absagen auf Bewerbungen. Billi erhält schließlich die Nachricht von der Diagnose Lungenkrebs im Endstadium ihrer geliebten Großmutter und entschließt trotz anfänglichem Widerstand gegen das aufwändige Lügenspiel ihrer Familie nach China zu reisen. Dort hat sich die ganze Familie versammelt und versucht den Eiertanz eher ungelenk zu bewältigen und die Hochzeit vorzubereiten.

Awkwafina, Tzi Ma, Diana Lin, Lu Hong, Jiang Yongbo, Chan Han, Aoi Mizuhara, Li Xiang
Photo by Nick West
Awkwafina, Tzi Ma, Diana Lin, Lu Hong, Jiang Yongbo, Chan Han, Aoi Mizuhara, Li Xiang Photo by Nick West © DCM A24
„The Farewell“ konfrontiert den Zuschauer also mit einer sonderbaren und zum Nachdenken anregenden Prämisse. Der Film erweist sich als erfrischend lebensnah und zugänglich, was sicher darin begründet ist, dass Autorin und Regisseurin Lulu Wang hier ihre eigene Geschichte verfilmt hat. Billi ist ihr Alter Ego und entsprechend erlebt man den Film ganz aus ihrer irritierten und zwiegespaltenen Sicht. Von China eigentlich distanziert, kann sich Billi wohl am wenigsten mit der bizarren Situation anfreunden, die konkret das eigene Leben hinter das Kollektiv, bzw. die Familie stellt. Aus Liebe zu ihrer Nai Nai spielt sie widerwillig mit und kommt dabei ihren Wurzeln, ihrer Großmutter und schließlich auch ein Stück weit sich selbst näher.

Lulu Wang gelang hier ein ganz feinsinniger und still beobachtender Film, der zutiefst menschlich ist und mit seinen kulturellen Beschreibungen fasziniert. Keineswegs versucht der Film eine Agenda durchzudrücken, nie schlägt er sich auf eine Seite, sondern lässt den Zuschauer selbst entscheiden. Wang lässt Gespräche ganz naturalistisch stehen, fängt die Stimmung im Raum förmlich ein, sodass man sich regelrecht mit den Figuren an einem Ort befindet. Ganz beiläufig werden hier Debatten beim Essen geführt: So konfrontiert Billis Mutter Lu Jian ihre pro-chinesische Schwägerin Ling (Li Xiang), warum sie ihren Sohn zum Studieren in die USA schickt, obwohl China doch angeblich alle Möglichkeiten zur beruflichen Entfaltung bietet.

Lulu Wang, Awkwafina
Lulu Wang, Awkwafina Photo by Casi Moss © DCM A24
China ist hier ein wenig immer der Elefant im Raum: Der Nationalstolz ist vor allem bei den alteingesessenen Familienmitgliedern groß, während der Wert von Familie ebenfalls immer wieder laut propagiert wird. Dennoch wird hier eine Gruppe Menschen gezeigt, die in ihrem Umgang förmlich, ja fast schon unpersönlich und distanziert zueinander wirkt. Billi leidet darunter, regt immer wieder an, dass man Nai Nai doch die Wahrheit sagen sollte. Doch einfache Antworten bietet dieser ruhige und melancholische Film nicht.

Unbedingt erwähnt werden muss Shooting Star Awkwafina, die hier in ihrer ersten großen und vor allem ernsten Hauptrolle glänzt. Bislang hauptsächlich als Internetphänomen und für ihre grell-exzentrischen Auftritte in Komödien wie „Oscean’s Eight“, „Crazy Rich Asians“ und aktuell auch „Jumanji: The Next Level“ bekannt, begeistert sie hier mit einer ganz feinen, nuancierten und menschlichen Performance. Ihre natürliche, ungekünstelte und verletzliche Ausstrahlung und ihr immer wieder aufkommender Sinn für Humor und Situationskomik kommt dennoch auf, jedoch alles in einem zurückhaltenden Rahmen, der großes Talent offenbart.

Awkwafina, Zhao Shuzhen, Tzi Ma, Lu Hong, Chan Han, Aoi Mizuhara
Awkwafina, Zhao Shuzhen, Tzi Ma, Lu Hong, Chan Han, Aoi Mizuhara Photo by Nick West © DCM A24
Ebenfalls wunderbar ist die berührend aufspielende 75-jährige Shuzhen Zhao, die neben Rollen im chinesischen Fernsehen und Theater hier erstaunlicherweise ihre erste Filmrolle spielt. Ihre Nai Nai ist zwar durchaus ein liebevoll und gütig, aber unsentimental dargestellter Charakter, denn sie hat als Matriarchin das Sagen und alles fest im Griff. Lulu Wang hat zudem sogar ihre eigene Tante Lu Hong in ebendieser Rolle besetzt, ein weiterer Baustein im überaus authentischen Flair des Films. Auch ansonsten sind alle Rollen fein gezeichnet, sodass auch kleine Figuren dreidimensional anmuten und im Gedächtnis bleiben.

„The Farewell“ ist ein besonderer Film mit einer besonderen Geschichte und angenehm subtiler, wie selbstsicherer Inszenierung. Es ist kein Film großer Momente oder aufgesetzter Dramatik, viel mehr dominiert hier Zurückhaltung, die dennoch spürbar von Herzen kommt. Zwischenzeitlich erweist sich das Gesehene aber auch als leicht monoton, gerade bei den ungelenken Hochzeitsfeierlichkeiten herrscht spürbar Stillstand.

Awkwafina, Zhao Shuzhen
Awkwafina, Zhao Shuzhen Photo by Casi Moss © DCM A24
Der Film ist zwar sowohl menschlich und kulturell einsichtsreich, jedoch kommt man am Ende nur bedingt zu einer tiefgehenden Katharsis. Fragen bleiben offen, die sicher auch beantwortet werden könnten. Wenn die Praxis in China so geläufig ist, wie kann Nai Nai scheinbar nichts von ihrem Schicksal ahnen, gerade wenn das Verhalten ihrer Familie oft auffällig erscheint und sie ja zu Beginn nicht ohne Grund im Krankenhaus war? Man kann zumindest davon ausgehen, dass Nai Nai Bescheid weiß, ohne es anzudeuten oder gar auszusprechen. Das Thema Sterben und Tod gilt ohnehin als Tabuthema in China und wird überhaupt nur ungern angesprochen und der Film ist zu zart und sensibel, als dass er selbst Dinge plump ansprechen würde. Dennoch, auch wenn die kulturelle Verständnisbrücke nicht komplett zufriedenstellend geschlagen wird, muss man den Film für seine feinfühlige, lebensbejahende und bittersüße Machart einfach bewundern.

Fazit:
„The Farewell“ präsentiert eine faszinierende kulturelle Herangehensweise an das Thema Sterben und ist dabei wunderbar lebensnah, feinfühlig, warmherzig und menschlich inszeniert. Regisseurin Lulu Wang gelingt es basierend auf ihren eigenen Erfahrungen Familiendynamiken komplex und präzise, aber dennoch leichtfüßig zu beobachten, wobei sie von einem feinen Ensemble unterstützt wird. Großartig: Awkwafina in einer offenbarenden Leistung.
by Florian Hoffmann

Bilder © DCM